Training nach Herzfrequenz

Wer mit dem Laufen beginnt und sich aus dem Internet Informationen und einen Trainingsplan beschaffen möchte, der stößt auf allerhand Begrifflichkeiten wie „GA1“, „Langsamer Dauerlauf“, „Fahrtspiel“, „Intervalle“, „Steigerungsläufe“ – die Liste ist endlos und man steht erst einmal ratlos da und denkt sich „what?!“. Ich zeige euch im folgenden Beitrag, dass das alles gar nicht so kompliziert ist, wie es auf den ersten Blick aussieht und wieso es wichtig ist, nach Herzfrequenz zu trainieren.

Egal, ob man Muskeln aufbauen, die Ausdauer trainieren oder abnehmen möchte – auf die richtige Herzfrequenz im Training kommt es an! Auch, wenn es im ersten Moment vielleicht lästig erscheint oder gar überflüssig: Puls messen loht sich, und wird sich langfristig bezahlt machen. Training nach Puls schützt vor Überanstrengung und vor Verletzungen und kann dabei helfen, sportliche Ziele zu verwirklichen.

Die Basics

Als Puls bezeichnet man die mechanische, rhythmische Ausdehnung und Kontraktion der Gefäßwände, die durch die Herzaktion und die von ihr ausgelöste Druckwelle bedingt ist. Im engeren Sinn versteht man unter Puls die durch Tasten oder elektronische Messung an bestimmten Körperregionen erfassbare Gefäßausdehnung der Arterien¹. Kurz gesagt zeigt der Puls an, wie oft sich das Herz in einer Minute zusammenzieht und wieder ausdehnt. Das was man hört, ist das durch den Herzschlag verursachte Pochen an den Gefäßwänden. Man misst den Puls entweder am Handgelenk oder an der Halsschlagader. Am genauesten misst man den Puls mit einem Pulsmesser. Ich mache das beispielsweise regelmäßig Samstagmorgens. Dann habe ich ausgeschlafen, lege den Brustgurt meiner Polar M400 neben das Bett, kann ihn schnell umlegen und schaue mir meinen Puls an. Das was man misst ist dann der sogenannte Ruhepuls, also den Puls in Ruhe, ohne dass man sich bewegt hat und gleich nach dem Aufwachen in entspanntem Zustand. Je trainierter man ist, desto niedriger ist der Ruhepuls. Eine gute Möglichkeit also, seinen Trainingsfortschritt zu verfolgen.

Wie bestimmt man seine maximale Herzfrequenz (HFmax)?

Nun, im Idealfall lässt man sich sportmedizinisch untersuchen. Ein solcher leistungsdiagnostischer Test soll den Leistungsstand eines Sportlers aufzeigen. Aus den Ergebnissen lassen sich Ansatzpunkte für ein zielorientiertes Training erkennen. Man erhält also ganz genaue, individuelle Werte. Vor einem solchen Test werden einem zunächst viele Fragen gestellt (Größe, Gewicht, sportliche Laufbahn, Ziele etc.). Dann wird man auf den Test vorbereitet. Zur Durchführung eines solchen Tests läuft man auf einem Laufband. Vor dem Start wird eine Laktatprobe aus dem Ohrläppchen entnommen und der Puls kontrolliert. Zur Gewöhnung an das Laufband läuft man erst einmal bei ganz niedriger Geschwindigkeit um „reinzukommen“. Anschließend wird der Test bei einer bestimmten Geschwindigkeit, welche die Mediziner aus der sportlichen Vergangenheit und den bisherigen Leistungen ermitteln, gestartet. Nach jeder Stufe wird das Tempo um 2 km/h erhöht, die Herzfrequenz erfasst und eine weitere Laktatprobe entnommen. Dafür muss man dann kurz runter vom Laufband. Der Test ist dann vorbei, wenn man schlichtweg nicht mehr kann und das Laufband selbst per Knopf anhält. Nach der Belastung wird noch dreimal (nach 1, 3 und 5 Minuten) eine Laktatprobe abgenommen und die Herzfrequenz erfasst. Hieraus ermitteln dann die Experten die maximale Herzfrequenz, die man erreichen (laufen) kann und die einzelnen Pulsbereiche.

Die maximale Herzfrequenz ist ein biologischer, individueller Wert, der von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist und sehr stark schwankt. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, eine solche Leistungsdiagnostik durchführen zu lassen – vor allem, wenn man einen größeren Wettbewerb plant. Ich habe meine erste Leistungsdiagnostik vor meinem ersten Halbmarathon durchführen lassen und dadurch festgestellt, dass meine HFmax viel höher liegt als das, was man mit Standardwerten ausrechnen kann.

Apropos Standardwerte. Wer nicht gerade auf einen großen Wettbewerb hin trainiert oder gerade erst mit dem laufen anfängt, der kann seine maximale Herzfrequenz auch mit einer Formel ungefähr ausrechnen.

Als Faustformel gibt es die Formel von Winni Spanaus zur Bestimmung der maximalen Herzfrequenz HFmax:

  • Bei Männern: 223 – 0,9 x Lebensalter = HFmax
  • Bei Frauen: 226 – Lebensalter = HFmax

Wenn ihr das googelt, kommt ihr vielleicht noch auf andere Formeln – die Ergebnisse werden aber alle ähnlich ausfallen. Diese Faustformel ermittelt die HFmax und damit die Trainingsbereiche nur sehr grob, aber für den Anfang wird das gehen – jedenfalls besser, als einfach drauflos zu laufen.

Es gibt auch noch eine Formel nach Karvonen, bei der man den Ruhepuls mit in die Berechnung einbezieht. Klingt auf den ersten Blick genauer, bei mir ergab sich jedoch kaum ein nennenswerter Unterschied zur vorgenannten Faustformel, deshalb bleibt das nur am Rande erwähnt.

Die Pulsbereiche werden in unterschiedliche Belastungsbereiche eingeteilt:

  • Gesundheitszone oder regenerative Trainingszone: 50 bis 60% der maximalen Herzfrequenz (HFmax)
  • Fettverbrennungszone: 60 bis 70% der maximalen Herzfrequenz (HFmax)
  • Aerobe Zone: 70 bis 80% der maximalen Herzfrequenz (HFmax)
  • Anaerobe Zone: 80 bis 90% der maximalen Herzfrequenz (HFmax)
  • Warnzone: 90 bis 100% der maximalen Herzfrequenz (HFmax)

Was sagen Pulswerte aus?

Durch die Höhe des Pulses weiß man genau, was gerade im Körper vor sich geht: ob sich überschüssiges Fett gerade endlich davonmacht, das Herz-Kreislauf-System auf Trab kommt, oder die Muskeln aus dem letzten Loch pfeifen, weil der Sauerstoff ausgeht. Hier eine kleine Übersicht durch den Puls-Dschungel:

  • Ciao, Körperfett!

Körperfett schmilzt am besten bei Bewegung im Rahmen von 60 bis 70% der maximalen Herzfrequenz. Das ist beim Laufen ein sehr moderates Tempo (je nach Trainingszustand). Für mich bedeuten 60 bis 70% maximale Herzfrequenz circa 115 bis 135 Schläge pro Minute. Um tatsächlich Fett zu verbrennen sollte die Einheit mindestens 30 Minuten dauern und zwei bis dreimal die Woche durchgeführt werden.

  • Training für Herz und Kreislauf

Um das Herz-Kreislaufsystem zu kräftigen, muss im Pulsbereich von 70 bis 80% trainiert werden. Dadurch steigert der Körper seine Fähigkeit, Sauerstoff zu den Muskeln zu transportieren. Ich muss hierfür im Pulsbereich von 135 bis 155 laufen. Dieses Training zwischen 70 und 80% ist auch das vielbesagte Grundlagenausdauertraining. Es gibt sicherlich noch genauere Definitionen von GA1 (Grundlagenausdauer Stufe 1, 1,5, 2 etc.) aber wenn ich von Grundlagenlauf spreche, dann laufe ich zwischen 70 und 80%. Diese Grundlagenausdauerläufe sorgen dafür, dass man, wenn man geduldig bleibt und die Pulsbereiche einhält, mit der Zeit seinen Puls senkt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man mit niedrigerem Puls schneller laufen kann. Ich selbst habe mich inzwischen schon um über zwei Minuten gesteigert. Ich habe bei über 10 min pro Kilometer angefangen, um in meinem Pulsbereich zu bleiben, inzwischen schaffe ich es an guten Tagen (nicht jeden Tag ist der Puls gleich) schon fast in 7:30 min pro Kilometer in meinem Limit zu bleiben.

 

  • Achtung, Sauerstoffmangel

Bei über 85% der maximalen Herzfrequenz geht den Muskeln im wahrsten Sinne des Wortes die Luft aus. Es bildet sich Milchsäure, welche Organismus und Muskulatur schwächen kann. Bei intensivem Training geht man aber durchaus mal an diese Grenze heran, um sie weiter nach oben zu setzen. Sprich: man trainiert an der Grenze zu diesem sogenannten anaeroben Pulsbereich, um diesen weiter nach oben zu setzen, den Körper quasi daran zu gewöhnen, um im Wettkampf schneller werden zu können.

So, nun wissen wir, welche Pulsbereiche es gibt und was in welchem Pulsbereich so in etwa im Körper passiert. Nun gibt es auch noch unterschiedliche Formen des Lauftrainings. Zum einen die Grundlagenläufe, die gerade jetzt im Winter einen Großteils meines Trainings ausmachen. Daneben gibt es noch Intervalltraining, Steigerungsläufe, Tempodauerläufe und Fahrtspiele.

Intervalltraining

Wer schneller werden will, der muss auch ab und zu im Training schneller laufen. Das ist aber nur sinnvoll, wenn man schon eine Stunde am Stück durchlaufen kann und somit eine ganz ordentliche Grundlagenausdauer hat. Intensive Trainingseinheiten wie Intervalle belasten das Herz-Kreislaufsystem sehr. Auch Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenke werden sehr beansprucht. Menschen mit gesundheitlichen Problemen sollten sich also in jedem Fall ärztlich durchchecken lassen, bevor sie mit dem Intervalltraining beginnen. Beim Intervalltraining kommt man schonmal an die Grenze der HFmax.

Wie geht Intervalltraining?

Intervalltraining wird in einzelnen Serien (Intervallen) gelaufen – beispielsweise 6 x 200 m schnell, dazwischen jeweils 2 min Trabpause, also nicht stehen bleiben, sondern langsam weiterlaufen, ehe die nächsten 200 m schnell gelaufen werden. Für den Körper bedeutet das, dass der Kreislauf zunächst sehr belastet wird und anschließen Zeit erhält, sich wieder zu erholen. Dann folgt das nächste Intervall und so weiter. Das Laufen solcher Intervalle nennt man auch intensives Intervalltraining.

Extensives Intervalltraining unterscheidet sich in der Länge der Intervalle und der damit verbundenen Laufgeschwindigkeit. Extensive Intervalle dauern länger, also beispielsweise 5 Minuten schnell laufen, zwei Minuten Trabpause und so weiter. Es versteht sich von selbst, dass man ein 5-Minuten-Intervall nicht ganz so schnell laufen kann, wie ein Intervall von 200 m.

Steigerungsläufe

Bei Steigerungsläufen wird auf einer kurzen Laufstrecke die Laufgeschwindigkeit von langsamem zu sehr schnellem Tempo kontinuierlich gesteigert. Wenn man beim sehr schnellem Tempo angelangt ist, dann wird man wieder langsamer, trabt ein Stück aus, bis der Puls wieder runtergegangen ist und dann wird der nächste Steigerungslauf angehängt. Serien von drei bis sechs Steigerungsläufen hänge ich gerne im Schluss an die Langsamen Dauerläufe an, um aus dem langsamen „Trott“ auszubrechen.

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Mit Steigerungsläufen kann man aus dem langsamen Trott während eines Grundlagenlaufs ausbrechen.

Tempodauerlauf

Beim Tempodauerlauf wird im ungefähr möglichen Wettkampftempo (bis zu 85% HFmax) durchgeführt. Mit diesem Training wird die spezifische aerobe Ausdauer verbessert. Die Tempodauerläufe sollten nicht länger als 20 bis 50 Minuten dauern, um den Körper nicht allzusehr zu belasten während der Trainingsphase. Nach einem Tempodauerlauf sollte dem Körper eine Pause von einem bis zwei Tagen gegönnt werden, damit sich der Stützapparat (Sehnen, Bänder, Gelenke und Muskeln) sowie das Herz-Kreislaufsystem wieder erholen können.

Fahrtspiel

Das Fahrtspiel ist die kreativste aller Trainingseinheiten, denn hier bestimmt der Läufer selbst, wie er sich fühlt, wann er schneller laufen möchte und wie weit er dann langsamer austraben möchte. Die Variationsmöglichkeiten sind unbegrenzt – oft setzen typografische Punkte die „Intervalle“ fest. Ich laufe mich beim Fahrtspiel meiste erst zehn bis 15 Minuten lang ein und suche mir dann irgendwelche Laternen oder die nächste S-Bahn-Haltestelle, bis zu der ich dann schneller laufe. Habe ich meinen Fixpunkt erreicht, laufe ich langsamer weiter, bis sich mein Puls wieder gesenkt hat und suche mir einen neuen Fixpunkt. Sonntagnachmittags kann man sich beispielsweise auch Spaziergänger als Fixpunkte aussuchen und sie „jagen“. Man rennt einfach so lange, bis man sie überholt und sich einen kleinen Vorsprung verschafft hat – dann trabt man aus. Ein bisschen Spaß muss sein! 😉

Bergläufe

Da ich bei einer echten „Bergmaus“ das laufen gelernt habe, nämlich Barbara Maier, die den Ultra Trail du Mont Blanc (UTMB), einen Ultratrailmarathon von 170KM mit 10.000HM in 39:39 :59 Std gefinished hat, musste ich mich zwangsläufig auch mit Bergläufen befassen. Ein Training an einer Steigung verbessert den Laufstil, die Kraft und die Ausdauer. Hierfür muss es nicht gleich ein Zehntausender sein, schon eine kleine Steigung oder ein Hügel sind ideal für Intervalle am Berg. Hierfür einfach den Berg hochrennen und wieder locker heruntertraben (vier bis sechs Intervalle von ein paar hundert Metern reichen). Hier kann die HFmax 90 bis 95% erreichen.

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Bergläufe sind anstrengend, bringen einen aber auf jeden Fall weiter! Und die Aussicht ist auch nicht zu verachten! 🙂

Beispielwoche

Zum Schluss möchte ich euch noch eine Beispielwoche zeigen, wie ich sie jetzt gerade in meinem Wintertraining absolviert habe.

Mittwoch: 50 min Grundlagenausdauertempo (bis 80% HFmax) anschließend drei Steigerungsläufe (7,7 km)

Freitag: 30 min Grundlagenausdauertempo (bis 75% HFmax) anschließend 10 min Sprint (5,8 km)

Sonntag 90 min Grundlagenausdauerlauf (70 bis 75% HFmax) (13,1 km)

 

Ich hoffe, ich konnte euch ein wenig Durchblick verschaffen durch die Welt des herzfrequenzbasierten Trainings und wofür es gut ist. Falls ihr Fragen habt, scheut euch nicht, mich zu kontaktieren, sei es per Mail, via Facebook oder über Instagram.

 

 

¹http://flexikon.doccheck.com/de/Puls

 


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